Kollektiv/kollektiv

von Frank Oberhäußer

Ist das Kollektiv nicht ein schlechtes Ideal, das der Herausbildung von Individualität und Verantwortungsgefühl entgegensteht?

Führt Kollektivität in den Künsten zum kleinsten gemeinsamen Nenner?

Ist an hierarchisch strukturierten Orten wie der Schule kollektives Arbeiten überhaupt möglich?

Steht kollektiv im Gegensatz zu effektiv?

Braucht man eine bestimmte Eignung für die Mitgliedschaft in einem Kollektiv?

Was unterscheidet ein Kollektiv von einer Band oder eine Bande?

Was unterscheidet freiwillige von unfreiwilligen Kollektiven?

Das Kollektiv, ein Begriff, der eine Zeit lang nach Planwirtschaft und schwierigen psychodynamischen Gruppenprozessen in heruntergekommenen ländlichen Anwesen klang, hat in den Künsten Hochkonjunktur: Theaterkollektive, Performancekollektive, Künstlerkollektive, kollektive Arbeitsprozesse, kollektive Erfahrungen als Zuschauerkollektiv kollektiv erarbeiteter Performancearbeiten …

Die Sehnsucht nach kollektiven Identitäten, die Beschwörung des Kollektivgeistes, das Erproben kollektiver Lebens- und Arbeitsformen, die Forderung nach kollektiven Leitungsteams sind dabei sowohl Reaktionen auf die Vereinzelung und Atomisierung von Gesellschaft im Neoliberalismus als auch Folgen der Erkenntnis, dass die Komplexität unserer Gesellschaft immer schwieriger von Einzelnen überschaut und kontrolliert werden kann.